Leseprobe |
Veronique tippte gerade ihr Password in den Computer. Nach dem Bruchteil
einer Millisekunde landete sie im weltweiten Datennetz. Der Klick ins
Filmnet-Fenster öffnete ihr den Weg zum gewünschten Bildmaterial.
Veronique gab eine Ziffernreihe ein, dann beugte sie ihren Oberkörper
zur Seite, um in ihrem bunten Rucksack nach einer kleinen Diskette zu
suchen. Mit Zeige- und Mittelfinger konnte sie diese nach ein paar Augenblicken
endlich aus den Tiefen ihrer Transporttasche herausfischen. Rasch wurde
dieses kleine Hightech-Informationssystem in den Schlitz des Plastikgehäuses
geschoben. Ein Doppelklick auf das Diskettensymbol am Bildschirm ließ
das Inhaltsverzeichnis erscheinen. Nach ein paar rasch aufeinanderfolgenden
Klickbewegungen hatte sie endlich das Wort, nach dem sie gesucht hatte.
Eifrig wurde es in die Spalte unter die bereits eingegebene Ziffernkombination
kopiert. Nach dem Drücken der Datenfreigabetaste erhielt Veronique
eine Liste von 1,37435 mal 10 hoch 8 Filmen. Ein kleiner Seufzer kam über
ihre Lippen ... |
Über das Konzept des Autors
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Wolfgang Schmid bringt mit seinem Text Log_in/Log_out
ein gutes Beispiel von social fiction: anhand eines Kriminalfalls,
der von mehreren jungen Frauen untersucht wird, entwickelt er die Aspekte
einer hochentwickelten, technisierten, aber demokratischen Zukunft, in
der die Gesellschaft versucht, sich an den Bedürfnissen und Interessen
der Menschen zu orientieren.
Er antizipiert die Möglichkeiten der Mitbestimmung in vielen politischen
und administrativen Fragen, z. B. durch Abstimmung im Internet und Einbeziehung
von Kindern und Jugendlichen in die Entscheidungsprozesse; er evoziert
die Auswirkungen eines fixen Basiseinkommens auf die Menschen; er eröffnet
einen Ausblick auf neue Formen des Zusammenlebens und das künftige
Berufsleben in einer Welt ohne Nationalstaaten.
Vor allem geht es ihm aber um Kommunikation, auch mit Menschen, die diesbezüglich
Schwierigkeiten überwinden müssen, die blind, gehörlos
oder blind und gehörlos geboren werden. Entschlossen verfolgt er
die Möglichkeit eines herrschaftsfreien Dialogs und einer zutiefst
demokratischen Sicht der Dinge.
In dem Kriminalfall, dem roten Faden des Romans, geht es um Daten-, d.
h. Geschichtsfälschung, mit rassistischen Motiven. Wichtig ist dabei
auch der Gedanke, dass die Aufmerksamkeit gegenüber undemokratischen
Einstellungen auch beim einzelnen Menschen nicht erlahmen darf.
Wolfgang Schmid reflektiert mit seinem Text implizit auch die aktuelle
Diskussion über die Perspektiven der Demokratie und die zukünftige
Rolle von Nationalstaaten. Gerade Europa steht vor der Notwendigkeit der
Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft, der Reform ihrer Institutionen
sowie der Reflexion über die zukünftige Entwicklung der Nationalstaaten,
die bis jetzt ihre Rechte nicht aufgeben möchten. Wolfgang Schmid
geht über die Idee einer Wertegemeinschaft mit größeren
Rechten für die Bevölkerung hinaus und fragt, wie sich die konkreten
Formen von Demokratie, z. B. bei freien Wahlen, bei den Menschenrechten
und den Rechten von Minderheiten in postnationalen Gesellschaften umsetzen
lassen und wie sich dies auf die verschiedenen Bereiche der Gesellschaft
wie Verwaltung, Bildung und Wissenschaft oder Sport auswirkt. Im Gegensatz
zu düsteren Untergangsszenarien aus Hollywood ist Wolfgang Schmids
Blick in die Zukunft kein pessimistischer, sondern ein positiver, ein
Blick, der die Hoffnung auf die Entwicklung des Menschen nicht aufgibt
und auf die Kraft der Vernunft vertraut.
Dem inhaltlichen Anliegen entspricht die sprachliche Umsetzung seines
Themas: die sorgfältige Wahl der sprachlichen Mittel, die Verwendung
geschlechtsneutraler Formen, politisch korrekter Definitionen und Begriffe
sind der konkrete Versuch, adäquate sprachliche Formen für eine
positive Utopie zu entwickeln. |